Cha Yi

Die chinesische Teekunst

von Jörg Multhaupt



Seit Jahren bin ich wohl das, was man landläufig einen ausgewiesenen Teeliebhaber nennt. Ob bei der Arbeit oder zu Hause, überall steht meine Teetasse in greifbarer Nähe. Von daher war es bei meiner letzten Chinareise fast so etwas wie eine Pflicht, mich einmal etwas intensiver mit der chinesischen Teekunst Cha Yi zu befassen. 
Als ich dies meinem Freund und Übersetzer Yongjun erzählte, fiel ihm sofort der Name einer jungen Chinesin ein, die in ihrer Heimat als Teeexpertin bekannt ist: Xu Xiao Li. Nach nur wenigen Telefonaten sagte er mit dann, dass uns Xu Xiao Li für den folgenden Nachmittag eingeladen hätte, um mir bei dieser Gelegenheit etwas über die chinesische Teekunst erzählen wollte. Eine Kunst, deren Wurzeln u.a. im Buddhismus zu finden sind, womit sich vielleicht auch das Besondere der damit verbundenen Teezeremonie erklären lässt.
 

Viele werden bei dem Stichwort "Teezeremonie" wahrscheinlich eher an Japan denken, doch die Teekunst hat nicht dort ihren Ursprung, sondern ist von China aus nach Nippon gekommen. Dort wurde sie in eine typisch japanische Form gebracht, was letztendlich zur Folge hatte, dass sie komplizierter wurde. Aber wie auch immer, in China war die Teezeremonie lange Zeit in Vergessenheit geraten, ist dann aber wieder über Taiwan ins Reich der Mitte zurückgekehrt.
All dies erfuhr ich tags darauf von Xu Xiao Li, womit meine erste Lektion in Sachen chinesische Teekunst auch begann.

 

"Drei Dinge sind wichtig"


Mir blieb kaum Zeit, diese Dinge zu Papier zu bringen, als Xu Xiao Li bereits mit der zweiten Lektion weitermachte. So erfuhr ich auch, dass Xu Xiao Li die Teekunst in Fujian gelernt hatte. Dort hatte man ihr u.a. beigebracht, dass für eine Teezeremonie drei Dinge wichtig sind: Gute Teeblätter, eine gute Teekanne (in China wird Keramik aus Yixing bevorzugt) und gutes Wasser. Früher wurde für die Teezeremonie sogar ein spezielles Quellwasser verwendet. Auch Xu Xioa Li benutzt Wasser aus einer nahen Quelle.

 

"Die Zeremonie"


Nach diesen einleitenden Erklärungen begann Xu Shao Li mit der eigentlichen Teezeremonie. Dazu wurde von ihr zunächst die Kanne mit ca. 100 Grad heißem Wasser innen und außen gespült. Selbst die Tassen wurden vor dem Eingießen des Tees mit heißem Wassers gereinigt. Dieser Vorgang wurde 3x wiederholt. Erst danach wurde der Tee in die Kanne gefüllt.
Anschließend wurde das Wasser (wieder 100 Grad heiß) von Xu Shao Li in einer Bewegung von oben nach unten eingegossen. Der Grund dafür war, dass der Strahl von oben sehr kraftvoll ist und gleichzeitig durch die Bewegung nach unten verhindert wurde, dass das Aroma entwich.

"Erde und Himmel werden gedreht"


Den ersten Aufguss verwandte Xu Shao Li nun dazu, um damit erneut die Tassen auszuspülen bzw. damit den Tee zu waschen. Dieses Waschen, so erfuhren wir von ihr, sollte den Tee wieder reinigen, da dieser beim Einfüllen berührt worden war.
Erst danach wurde der Tee nun in die länglichen Tassen gefüllt. Dann stülpte sie die flachen Teeschalen darüber und drehte beide um. Dadurch wurden symbolisch Erde und Himmel gedreht.
Nun bat uns Xu Shao Li, die länglichen Tassen mit einer drehenden Bewegung hochzuheben und 3x zu  drehen. Bei dieser Gelegenheit konnten wir das Aroma des Tees aufnehmen, der immer sehr heiß und in drei Schlucken getrunken wird. Die Unterseite der Teeschale wurde anschließend von Xu Shao Li abgestreift, damit sie nicht tropfte.
 


"Der Hektik des Alltags entkommen"


Diese Prozedur kann man mehrfach wiederholen, wie uns die Teemeisterin erklärte. Dies ist eine Besonderheit des Gong Fu-Tees, der bis zu 30x aufgegossen werden kann. Und dabei hat selbst die letzte Schale genau das gleiche Aroma wie die erste. Zum Tee reichte uns unsere Gastgeberin Hua Mei (getrockneter Winterpfirsich) und Sonnenblumenkerne.
Diese Art der Teezeremonie kann in China bis zu vier Stunden dauern, wobei die Zeit meist mit Plaudern verbracht wird. Für uns verging diese Zeit wie im Flug, denn wir waren auf diese sehr angenehme Art einige Stunden der Hektik des Alltags entkommen.
Als ich übrigens einige Tage später wieder zurück in Deutschland war, habe ich diese Teezeremonie mit Freunden (fast genau) wiederholt. Die ruhige und entspannte Atmosphäre, die uns dabei umgab, hat mir sehr geholfen, die Kunst und Kultur Chinas besser verständlich zu machen. An diesem Abend blieb bei mir und meinen Freunden zwar die große Erleuchtung (s. dazu unten "Tee und Zen") aus - zumindest habe ich es nicht direkt wahrgenommen - doch konnte ich über diese Teezeremonie mindestens zwei weitere Menschen für China begeistern.


Teemeisterin Xu Shao Li

hat die Teekunst in Fujian gelernt. Darüber hinaus ist sie auch eine exzellente Kung Fu-Meisterin, die jeden Morgen um 6 Uhr in den Park geht, um dort ihre Gymnastik- und Tai Chi-Übungen auszuführen.


Der Gong Fu-Tee


Eine Besonderheit des Gong Fu-Tees ist, dass er sehr stark ist. Es wird überwiegend halbfermentierter Tee benutzt (zwischen grünem und schwarzen Tee). Insgesamt gibt es ca. 60 verschiedene Sorten, wobei Kilopreise bis zu € 250,- gezahlt werden können.


"Cha Chan Yi Wei - Tee und Zen haben den gleichen Geschmack"
Der Buddhismus gehört zu den großen Religionen dieser Welt. Die größte Verbreitung hat diese Religion, die sich auf die Lehren Buddhas (560 - 480 v.Chr.) beruft, naturgemäß in Asien, wo sie auch entstand. Der Buddhismus geht von der Wiedergeburt aus, die - vereinfacht dargestellt - über einen 8-teiligen Weg zur Aufhebung des Leidens und vom Aufgehen ins Nirwana ausgeht. Das Nirwana steht für das höchste Ziel des Menschen, eine Art ewige Befreiung vom Schmerz der Existenz, erreichbar durch höchste Erkenntnis und Tugend.
In China sind verschiedene Richtungen (=Schulen) des Buddhismus entstanden, wobei die des Chan-Buddhismus (Chan entspricht dem japanischen Zen) heute zu den bedeutendsten Strömungen gehört.
Im Buddhismus geht man davon aus, dass man durch völlige Konzentration auf die Umwelt und intensive Meditation durch ein plötzliches - meist belangloses - Ereignis zur Erleuchtung gelangt. Chan bzw. Zen ist zu verstehen als eine Art meditativer Weg, um diese Erleuchtung zu erlangen.
In der chinesischen Teekunst findet sich diese Vorstellung wieder, sodass die Aussage "Tee und Zen haben den gleichen Geschmack" im Reich der Mitte keiner bestreiten würde.        

 

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